Maile Spiel - Club Rocaille

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Stand 02.10.2024
Mail (FRANZÖSISCH) ein früher sehr beliebtes Spiel, welches darin bestand, daß man auf der Spielbahn Holzkugeln mittels eines Kolbens nach einem Ziele hintrieb, auch die Spielbahn selbst hieß Mail und danach werden in manchen Städten Frankreichs noch öffentliche Promenaden Mail genannt.

So die knappe Erklärung in Band 11 des Brockhaus von 1885. Neuere Lexika widmen dem Thema „Mail", auch. Bailie-Maille, Pall-Mall oder Pallamaglia genannt, noch weniger Zeilen, wenn sie es überhaupt erwähnen.





Maile Hammer Replik

Was trieben unsere Vorfahren, denen der Golf-Sport noch nicht die Möglichkeit zu Business-Gesprächen bot? Wie vertrieb man sich in Kreisen des Adels die Zeit? Wie brachte man das ererbte Vermögen durch? Wie hielt man sich körperlich fit?
Auf all diese Fragen lautet eine mögliche Antwort: mit Mail-Spielen.
Die Ursprünge des Spiels, das am ehesten mit dem heute üblichen Croquet verglichen werden kann, reichen möglicherweise bis ins alte Rom zurück.
Vermutet wird ein Zusammenhang mit dem mystischen Paganica" der Römer. Eine Vermutung, die man umso leichter anstellen kann, als man von diesem Spiel nichts weiter kennt als den Namen Erfindung des Spiels.
Allerdings reklamieren die Franzosen die Erfindung des Spiels für sich. Und auch die Engländer wollen Anteil daran gehabt haben. Wahrscheinlicher ist der Ursprung in Italien. Von dort hat das Spiel dann seinen Siegeszug über Frankreich nach ganz Mitteleuropa und auf die britischen Inseln angetreten.
Der Name kommt aus dem Italienischen, wo das Spiel Palla genannt wurde, ganz genau eigentlich „palla a maglio", was übersetzt nichts anderes heißt als: die Kugel mit dem Hammer" – zu schlagen wäre noch zu ergänzen. Zum Spielen brauchte man also eine palla, einen kleinen „Holzball", und einen maglio, einen Schlägel, in Frankreich „mallet" genannt. In Deutschland wurde von „Ball- oder Kugelschlägelspiel", aber auch von „Kolben- oder Laufspiel, einer Art Kugelschub" gesprochen.
In der Renaissance war das Interesse an körperlicher Ertüchtigung und Bewegung im Freien wieder geweckt worden. In Italien wurden verschiedene Ballspiele erfunden; seit etwa 1350 breiteten sich diese über ganz Mittel- und Westeuropa aus. Sie wurden an fürstlichen Höfen ebenso geschätzt wie bei wohlhabenden Patriziern. Und bald hatte jede größere Stadt im Freien auch eine spezielle Spielbahn für das in der Regel schlicht Mail genannte Spiel, meist eingefasst von Schatten spendenden Alleebäumen Die Franzosen spielten Boule-Mail, die Engländer Pall -Mall, die Spanier palamallo; auch den Niederländern war das Spiel nicht fremd, und in deutschen Landen delektierte man sich französelnd an Baille-Maille oder Ball-Mallje.
Länge der Spielbahn
Eine vorgeschriebene Länge für die Spielbahn gab es nicht, sie war meist mehrere hundert Meter lang. Sie sollte nur möglichst eben und fest sein und am besten mit feinem Sand bedeckt. Ein englischer Chronist spricht davon, dass die Londoner Bahn mit pulverisierten Schalen von Herzmuscheln be gewesen sei. An den Seiten pflanzte man Bäume vorzugsweise Linden, häufig auch in Doppelreihen, und an jedem Ende stand ein kleiner Eisenbogen in der Spieler-Fachsprache „La Passe" oder „L'Archet" genannt.
Die Regeln waren individuell etwas verschieden und konnten je nach Geschmack der Spieler immer weiter verfeinert werden. Das einfache Grundprinzip aber lautete:
„Mit dem Mail, einem hölzernen Hammer mit langem Stiel, dessen zylindrischer Kopf mit Eisen beschlagen war, musste eine meist aus hartem Buchsbaumwurzelholz gedrechselte Kugel über eine möglichst weite Distanz getrieben werden, um sie dann zu guter Letzt durch den kleinen Eisenbogen ins Ziel zu bringen, wozu gelegentlich ein eigener Schläger verwendet wurde. Jeder Spieler hatte seine eigene gekennzeichnete Kugel. Man spielte zu zweit oder in zwei Parteien."
„Diejenige Partei, welche ihre sämtlichen Kugeln mit den wenigsten Schlägen durch den Bogen bringt, hat gewonnen."
Nicht allen ging es um Sieg, für manche war es ein Zeitvertreib, vor allem für die Damen, die dem Mail-Spiel ebenfalls mit großer Leidenschaft frönten.
„Die Schönheit des Spiels besteht gar nicht darin, so genannte grands Coups zu machen; es ist genug, wenn es nur zierlich gespielt wird."

Eintrag Oeconomischen Encyklopädie
Ob nun mit hohem Einsatz oder nicht, die Freude am Mail-Spiel blieb ungebrochen im 17. und 18. Jahrhundert. Immerhin wurde es von vielen Seiten auch als sehr gesund angesehen. Sogar in der 1799 in Brünn erschienenen Oeconomischen Encyklopädie von Johann Georg Krünitz ist dem Mail-Spiel ein längerer Eintrag im Kapitel Leibes-Übungen" gewidmet.
"Unter den Bewegungs-Spielen bleibt dieses immer eins der angenehmsten und ungezwungensten. Da es keine allzu starke Bewegung erfordert, so ist es der Gesundheit zuträglich; und da man zu gleicher Zeit spielen und in einer angenehmen Ge sich die Zeit mit Sprechen vertreiben kann, so ver es auch in der Annehmlichkeit einen Vorzug. Da man sich bey andern Spielen öfters zu sehr abmatten muß, so hat man bey dieser Übung den Vortheil, daß man nicht mehr Be dabey hat, als bey einem gewöhnlichen Spaziergange und selbst diese Bewegung, welche das hin und wieder treiben der Kugeln verursachet, ist gleichsam eine .Universal-Medicin gegen Husten, rauhen Hals und andere Übel, denen man bey Veränderung der Jahrszeiten unterworfen ist, zumahl wenn man nur mäßig und bey schönen Tagen spielt. Hierzu kommt noch, daß ein jedes Alter des menschlichen Lebens hierzu aufgelegt ist.
Besonders geschätzt wurde das Mail-Spiel in Frankreich. Franz 1. soll es im 16. Jahrhundert zur beliebtesten höfischen Zerstreuung gemacht haben. Noch Ludwig XIV., der Sonnenönig, hat es leidenschaftlich gespielt – wie tont Paris, alle besseren Pariser. Hochburgen aber waren die Provence und das Languedoc. Dort gab es überall öffentliche Spielbahnen mit eigenen Spielbahnmeistern. Der König selbst hatte ein ganzes Rudel von Bediensteten beim Spiel dabei, darunter den Porte-Mail, der ihm die Geräte nachtrug.

Professionelle Spieler
Es gab sogar professionelle Spieler, wie den Franzosen Lauthier, der 1717 das erste größere Werk zum Thema „Le Jeu de Mail" mit zahlreichen Kupferstichen herausgab.
Jeder Spieler hatte seine eigene Kugel und die wohl berühmteste war die des legendären Berufsspielers Bernard, der eine zunächst verschmähte Kugel erwarb, sie dann aber dermaßen präparierte, dass er ungeheurere Schläge mit ihr ausführen konnte und stets die Partie gewann. La Bernard", wie die Kugel nach ihrem ersten „Herrn" genannt wurde, wechselte für viel Geld mehrfach den Besitzer. Der Legende nach soll einer von ihnen, der als einer der besten Spieler der Provence galt, im Scherz gesagt haben, er getraue sich mit der „Bernard" gegen den Teufel zu spielen. Ob es je zu der Partie gekommen ist, verschweigt die Geschichte allerdings.
Mail-Spiel in Altbayern
Über das Mail-Spiel in Altbayern sind leider nur wenige schriftliche Zeugnisse erhalten.
Schleißheim
In Schleißheim gab es eine 970 Schritt lange mit Linden be Malibahn, „deren Ende das artige Gebäude Lustheim ist", wie alten Reiseaufzeichnungen zu entnehmen ist. Man kann sie als Lindenallee noch heute erkennen.
Münchner Hofgarten
Im Münchner Hofgarten spielte man ebenfalls. Als diese Anla im Jahr 1776 neu gestaltet wurde, überließ man die obere Böschung der lieben Jugend als Spielplatz". Auch hinter verschiedenen Baum bestandenen Promenaden anderer Städte könnte sich eine Mail-Bahn verstecken.
Schlosspark von Nymphenburg
Vermutlich gab es auch im Schlosspark von Nymphenburg eine Spielbahn. Immerhin war Kurfürst Max Emanuel von Bayern ein begeisterter Mail-Spieler. Er hat sogar eigene Regeln entworfen, die 1765 als Regeln. des Paßspiels" in deutscher und französischer Sprache im Druck erschienen sind.
Gemälde mit freundlicher Unterstützung  Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen
Ansbacher Schlosspark
Im Ansbacher Schlosspark ist bis heute der sogenannte Lindendom erhalten. In dieser großartigen Doppelallee richtete man eine 550 Meter lange Bahn ein, die vorher in einigem Ab nördlich davon verlaufen war. In einer Chronik heißt es:
„1723 wurden die alten Linden umgehauen und anno 1724 die jetzt stehenden, welche aus Holland herausgebracht worden, dahingesetzt."
Bayreuth
Auch für Bayreuth, die nahe Eremitage und für Thurnau ist die Existenz von Mailbahnen überliefert. Heute sind ihre Spuren allerdings längst verschwunden. Anders in Himmelkron am Main
Von Spaziergängen gibt es nichts als einen Mail, der beinahe so schön ist, wie in Utrecht."
Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, die Schwester des Preußen-Königs Friedrich 11, war begeistert von der in den Jahren 1662 und 1663 angelegten Mail-Bahn des kleinen fürstlichen Refugiums. Und mit ihr viele Zeitgenossen:
„Die Allee kann mit recht eine der merkwürdigsten in Franken, ja, man darf wohl sagen, in Deutschland genannt werden. Lindenbäume von so erstaunlicher Höhe und Dicke, von so gleichem schlanken Wuchs, wie diese sind, wird es selten geben. ..
. Die mittlere oder Hauptallee war ehemals ein Mail, wovon sie aber jetzo keine Merkmahle mehr hat."
... berichtete ein Reisender im Jahr 1787.
Doch auch die Tage dieser herrlichen Lindenallee waren geählt.
Nachdem der letzte Markgraf Friedrich Alexander von Ansbach 1791 zugunsten Preußens in einem Geheimvertrag auf seine Markgrafschaft verzichtet hatte, verkaufte der preußische Hof Johann Achatius Vogel alles was nicht niet- und nagelfest war. Ihm wurde nachgesagt, „er würde die Sonne, wenn er sie erlangen könnte, auch noch zerschlagen und sie stückweis verkaufen."
Was ihm bei der Sonne nicht gelang, schaffte er bei der Allee von Himmelkron – allerdings nur mit großen Schwierigkeiten
Die Behauptung, dass als Erlös nur 40 Kreuzer übrig blieben, mag Hohn gewesen sein. Tatsache aber ist, dass der Gewinn wegen der Unkosten für die Füsiliere sehr dürftig ausfiel.
Die prächtige Allee war dahin, doch nicht vergessen. 1986, knapp zweihundert Jahre nach der totalen Abholzung, begann man auf Initiative eines Förderkreises mit der Wiederanpflan von Linden. Genau zum 200. Jahrestag der Zerstörung, am 28. April 1992, wurde die letzte junge Linde gesetzt. Die Bäume wachsen und gedeihen und ab und zu wird in ihrem Schatten nun auch wieder Baille-Maille gespielt.

England
Vermutlich zu Beginn des 16. Jahrhunderts machten englische Reisende das Spiel in ihrer Heimat bekannt. In einer Allee na des grung gespielt und bald nannte man diese Allee allgemein nur noch Pall-Mall.
1845, als das Spielen dort längst eingestellt worden war, fand man bei Bauarbeiten einen Mail-Schläger und 'dazugehörige Kugeln. Sie befinden sich heute im Britischen Museum.
Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts entwickelte sich die Lon Straße zu einer der bevorzugten Wohngegenden der englischen Hofgesellschaft sowie einem Standort eleganter Kaffeehäuser, den Vorläufern der exklusiven Gentlemen's Clubs, die das Straßenbild noch heute bestimmen. Bis in un Tage ist es ein Privileg, Mitglied eines Clubs an der Pall zu werden. Privatleben, gesellschaftliches Auftreten und sozialer Status werden streng geprüft.
„Um dort aufgenommen zu werden, muss man schon verflucht nah mit dem lieben Gott verwandt sein",
bemerkte unlängst ein britischer Journalist über den altürdigen Athenaeum Club.
Die Pall-Mall, häufig nur kurz The Mall genannt, ist längst zum Inbegriff der eleganten Flaniermeile geworden. Und deshalb musste ihr Name auch herhalten für die zahllosen Einkaufs die nach dem Zweiten Weltkrieg überall auf der Welt entstanden sind.
1994 öffnete mit der Mall of America" in Minneapolis, Minne das größte Einkaufszentrum der USA seine Pforten. Das riesige Shopping-Center ist eine überdachte, voll klimatisierte Stadt von 420.000 Quadratmetern. Die Mall in Minneapolis, so verkündeten ihre Entwickler nicht ohne Stolz, ist fünfmal so groß wie der Rote Platz in Moskau. Täglich drängen sich durch die vier Kilometer langen, klimatisierten Gänge mit ihren 400 Läden 100.000 Menschen – am Wochenende sind es bis zu 170.000 – und verdrücken 20.000 Hot Dogs. Vom Ursprung des Namens „Mall" dürfte keiner auch nur die leiseste Ahnung haben.

Palmaille in Hamburg
Eine Palmaille haben auch die Hamburger mit ihrer Affinität zum britischen Lebensstil. Böse Zungen sagen ihnen ja nach, sie sähen deshalb oft so griesgrämig drein, weil sie keine Londoner geworden sind.
Wenn wir von Hamburg sprechen, ist das eigentlich falsch. Die betreffende Allee liegt im Stadtteil Altona, das früher nicht zur Hansestadt gehörte.
Graf Otto VI., der letzte Fürst von Schauenburg, hatte die Spielstätte mitten in den Drangsalen des Dreißigjährigen Krie vor den Toren Hamburgs errichten lassen. Er hatte das Spiel wohl in den Niederlanden kennen und lieben gelernt. In den Jahren 1638 und 1639 ließ er einen etwa 800 Meter lan Weg verbreitern und mit 400 Bäumen in vier Reihen be Drei Bahnen wurden angelegt – zum Lustwandeln und Spielen. Der Graf hatte gehofft, durch Vermietung der Spielbahnen an Hamburger Kaufmannsfamilien seine leeren Kassen etwas zu füllen, doch die Rechnung ging nicht auf. Das Spiel konnte sich dort nicht durchsetzen. Die Spielbahn verwilderte. Erst im 18. Jahrhundert erkannte man die Vorzüge der Straße:
Es ist der Stadt ersprießlicher, die Palmaille als publike Allee aufrechtzuerhalten. Wegen der guten Gegend, der guten Aus und Verbindung mit Ottensen ist zu vermuten, daß sich viele Liebhaber finden werden, die an den beiderseits anzule Fahrbahnen Häuser bauen werden."
Dem war so. Heute säumen die Palmaille – wie in London –vornehme Herrenhäuser und mächtige Amtsgebäude.
Reichsstadt Esslingen
Die Bürger der Reichsstadt Esslingen am Neckar konnten sich – anders als die Hamburger – sehr wohl für das Spiel erwär sie vertrieben sich im 17. und 18. Jahrhundert die Zeit mit dem Schläge) und der Kugel. Der berüchtigte französische General Melac hatte das Spiel angeblich mitgebracht, als er die Stadt im Jahre 1688 für 24 Tage besetzt hatte. Noch heute trägt die Grünanlage im Herzen der Stadt den Namen Maille. Und spätestens bei der Aussprache dieses Wortes stellt sich heraus, ob ein Esslinger „echt" ist oder nur „reing'schmeckt". Mällje muss man nämlich sagen – so wie Taille oder Kanaille.
Stuttgart hatte eine Maille-Bahn, Schloß Pillnitz bei Dresden sogar eine von 2000 Schritten, und in Karlsruhe-Durlach erin noch heute die Palmaienstraße an die einst so beliebte Sportart.
Auch viele französische Städte wie Paris, Nancy, Lyon oder Metz haben ihr „Terrain du Jeu de Maille" lediglich in Straßennamen konserviert. Denn gegen Ende des 18. Jahrhun kam das Spiel langsam aus der Mode.
„Weichlichkeit, Mode, sowie Karten und Würfel, verdrängten dieses sehr gesunde Spiel",
mutmaßte der bereits erwähnte Johann Georg Krünitz in seiner Enzyklopädie von 1799.
Der Sonnenkönig Ludwig XIV. soll das Mail-Spielen aufgege haben, weil die höfische Etikette ihm untersagte, sich seinen Untertanen regendurchnässt beim höfischen Zeitver zu zeigen. Man zog zum Spielen um ins Schloss. Von seinem Leibarzt soll ihm das Billard empfohlen worden sein, das daraufhin en vogue wurde.
Für draußen hat sich seit dem 19. Jahrhundert langsam das „schottische Mail", die angenehmste Sommer-Belustigung der Schottländer" mehr und mehr durchgesetzt. Bei diesem Spiel handelt es sich um nichts anderes als das heute so beliebte Golf-Spiel, dessen Wurzeln auch auf das Baille-Maille zurück.

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