Zur Geschichte die an diesem Wochenende ge-und erlebt werden konnte. - Club Rocaille

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Stand 22.11.2024

Wir befinden uns im Jahre 1764. Wie sicherlich jeder weiß, ist dies ein Jahr, nach dem der Siebenjährige Krieg mit dem Frieden von Paris und Hubertusburg endlich beendet wurde.  
Bei diesem handelt es sich zweifelsohne um einen der folgenreichsten Kriege der europäischen Neuzeit, der unsere Weltordnung bis heute bestimmt (man spricht Englisch). Es war der erste wirkliche Weltkrieg,
der auf allen damals bekannten Kontinenten ausgetragen wurde (d,h. nur  Australien und die Antarktis blieben  verschont).  Auch  der  Amerikanische  Unabhängigkeitskrieg  sowie  die  Französische  Revolution
resultieren direkt aus diesem Konflikt. Und mit einem anderen Ausgang wäre die heutige Bundeshauptstadt sicherlich nicht Berlin.

Hauptaustragungsorte an der ‚Westfront‘ waren Hessen und Westfalen. Auch Bückeburg war 1758 und 1759 von den Franzosen besetzt, wurde aber nach dem Sieg bei Minden befreit. Die Bevölkerungsverlus-
te in Westfalen werden auf 10-15% geschätzt. (D.h. die Franzosen sind zur Zeit nicht sonderlich beliebt!) Dies alles ist nun vorbei, man kann aufatmen und sich beglückwünschen alles mehr oder weniger gut
überstanden zu haben – während man gleichzeitig ruhig etwas auf die Franzosen schimpfen darf.


Wir befinden uns in Schaumburg-Lippe – seit 1948 Niedersachsen, davor aber Westfälischer Kreis! Die Hauptstadt und gräfliche Residenz ist Bückeburg. Die direkten Nachbarn sind im Westen Preußen (Min-
den) im Norden und Osten Braunschweig-Lüneburg (Hannover) und im Süden Hessen-Kassel (Rinteln u. Hessisch Oldendorf - dies ein war ein Problem, dazu später mehr).
Im 18. Jahrhundert handelt sich hier um ein klassisches Duodez-Fürstentum – eine souveräne Grafschaft mit gerade einmal 17.000 Einwohnern. Somit also eine der vielen lächerlich unbedeutenden Herrschaften,
von denen das Reich damals nur so wimmelte, wenn da nicht sein regierender Graf gewesen wäre - dazu im folgenden mehr.


Seit  1748  herrscht  in  Bückeburg  Graf  Wilhelm  zu  Schaumburg-Lippe.  (Eigentlich  war  er  nur  der zweitgeborene Sohn, aber sein älterer Bruder Georg hatte es geschafft, sich 1742 bei einem Duell um-
bringen zu lassen.) Geboren war er 1724 in London, wo er auch seine Jugend verbrachte (er war ein Enkel König Georgs I.). Gestorben ist er dagegen kinderlos und mit gebrochenem Herzen 1777 auf Haus
Bergleben bei Wölpinghausen (seine Frau und einzige Tochter waren da bereits tot). Aber dies ist ja noch ein bisschen hin.

Zur Zeit (d.h. 1764) ist Wilhelm nämlich ein in ganz Europa bekannter (und je nach Perspektive auch gefeierter) Kriegsheld (in Portugal übrigens bis heute!). Seine Meriten bestehen vor allem in seinem ent-
scheidenden Beitrag zum Sieg bei Minden sowie seiner erfolgreichen Verteidigung Portugals als Oberkommandierender der  portugiesisch-britischen Streitkräfte. Auch ist als Verfasser fortschrittlicher mili-
tärwissenschaftlicher Abhandlungen berühmt und wird als Lehrer Scharnhorsts die preußischen Militärreformen von 1807 post mortem entscheidend mitbestimmen.  

Hochgebildet (spricht sechs Sprachen fließend) ist er auch als Förderer der Künste bekannt (wer ist das nicht) und beschäftigt zeitweise Johann Christoph Bach als Hofkomponisten und Johann Gottfried Herder
als Hofprediger (letzteren erst ab 1771). Natürlich ist er auch Freimaurer.
Als Herrscher äußerst fortschrittlich schafft er die Frondienste der Bauern sowie das Prügeln von Soldaten  weitgehend  ab,  gründet  diverse  Industrien  sowie  eine  Offiziers  Akademie  (siehe  Scharnhorst)  und
erfindet nebenbei noch das vielleicht erste U-Boot (den Steinhuder Hecht).
Als Persönlichkeit ist er dagegen etwas exzentrisch. So wettete er einmal, er würde es schaffen von London nach Newcastle auf dem Pferde rückwärts sitzend zu reiten; und ein anderes mal, daß er als Bettler
verkleidet ohne Geld bis nach Dublin reisen könne. Beide Wetten soll er gewonnen haben. Zu seiner Vita gehören auch Duelle – vorzugweise wegen junger hübscher Schauspielerinnen.  
Wilhelm ist zudem weit überdurchschnittlich intelligent – und läßt das auch die ganze Welt wissen (viele Freunde hat er nicht).  

Aber sein liebstes Ding sind Kanonen - weshalb man auch in ganz Europa den ‚Kanonengrafen‘ nennt (was er allerdings gar nicht schätzt!). Er gründet bei Bückeburg die modernste Stückgießerei Deutsch-
lands und exportiert diese auch. Die besten Rohre aber bleiben für seine eigene Artillerie, welche im Ruf steht, die bestausgebildete der Welt zu sein (dies keine Übertreibung).

Insgesamt leistet er sich eine Armee von ca. 1.200 Mann (davon 400 Artilleristen!). Angesichts von nur 17.000 Einwohnern eine haarsträubend hohe Zahl. Der  Grund dafür liegt im unangenehmen südlichen
Nachbar Hessen-Kassel – dem Todfeind! Der dortige Landgraf ist nämlich der Auffassung, daß Schaumburg-Lippe von Rechts wegen ihm zusteht. Wilhelm leistet sich hier naturgemäß eine andere Meinung.
  
Noch während des Siebenjährigen Krieges hatten hessische und schaumburg-lippische Truppen Seit an Seit gegen die Franzosen gefochten. Wobei Wilhelm aber nie eine Gelegenheit ausließ, ihm unterstellte
hessische Offiziere für dieses und jenes unter Arrest stellen zu lassen (er ist eben etwas schwierig im Umgang) weshalb auch niemand wirklich traurig war, als er 1762 aufbrach, um auf Geheiß der britischen
Krone Portugal zu retten. 1787 wird es dann aber tatsächlich einen hessischen Angriff geben, der allerdings an preußischer und hannöverscher Intervention scheitert (man hatte den 'Kanonengrafen' in Berlin
und London nicht vergessen).  
Wie man sieht, sind auch die Hessen nicht sonderlich beliebt in Bückeburg.  

Der Krieg ist also zuende, der Herr aber noch nicht wieder zuhause (der Weg von nach Westfalen Portugal ist lang). Trotzdem wird die Ankunft des geliebten Landesherrn und Kriegshelden jederzeit erwartet.  

Eigentlich war diese bereits für Ende 1763 angekündigt (wie wir es auch das letzte mal gespielt haben). Allerdings trifft er tatsächlich erst ein Jahr später wieder zu Hause ein (was wir diesmal spielen). Man
sagt, es habe ihm so gut in Portugal gefallen, daß er sich habe kaum wieder losreißen können. Vor allem die portugisischen Damen haben es ihm wohl angetan (weshalb er auch in Zukunft regelmäßig wieder
dorthin reisten wird - zum Jagen, wie es offiziell heißt).
  
Aber jetzt soll er endlich erst einmal nach Hause kommen, nach fast vierjähriger Abwesenheit. Also sind die Hofbediensteten emsig dabei, alles herzurichten und die Offiziere sind  nicht minder fleißig im Exer-
zieren der Truppen. Denn der Graf ist ein gestrenger Herr, der keine Nachlässigkeiten duldet.  

Sehr zum Verdruß des Hofstaats hat sich aber auch der örtliche Landadel einquartiert, um bei Ankunft des Landesherrn sofort zur Stelle sein zu können (man hat dringende gravamina wegen der Kriegsschäden).
Auch  Herrschaften auf der Durchreise haben in Bückeburg Station gemacht, in der Hoffnung dem berühmten 'Kanonengrafen' vorgestellt zu werden. Derweil plündert man mit vereinten Kräften die gräfli-
chen Vorratskammern und geht dem Personal gehörig auf die Nerven.

Nun  wird  es  nicht  zum  Äußersten  kommen,  denn  die  tatsächliche  Ankunft  Wilhelms  stellen  wir  auch diesmal  nicht  dar.  Allerdings  wird  er  sein  Gepäck  vorausschicken,  dessen  spektakuläre  Ankunft  wir
durchaus darstellen wollen. Zum Dank für die Rettung des Landes hat ihm der König Joseph I. von Portugal nämlich eine ganze Reihe sehr edler Rösser zum Geschenk gemacht - pura raza espanola - das fein-
ste was es in Europa gibt. Diese Pferde werden vor ihrem neuen Herren ankommen (der Hofreitschule sei Dank), auf daß sie allgemein bestaunt werden können (Wilhelm wußte, wie man Leute neidisch macht).  

Wie ihr seht gibt es genügend Gesprächsthemen - insbesondere für den latent gelangweilten Adel.  

Damit dies besser gelingt am Schluß noch die Einschätzung Herders zu seinen Arbeitgeber:

„Ein edler Herr, aber äußerst verwöhnt! ein großer Herr, aber für sein Land zu groß…“

(Text von Marcus Stickdorn)

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